Hass in der Gesellschaft: Um Rassismus zu bekämpfen, muss man den Ursprung verstehen können

Liebe Leserin, lieber Leser,
in Deutschland häufen sich rechtsextremistische Taten. Laut Statistiken haben die Rechten mehr Menschen getötet als alle übrigen extremistischen Gruppierungen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Menschen anhand ihrer Haut- oder Haarfarbe oder Religionszugehörigkeit angepöbelt werden. Jedes Mal, wenn Rechtextremisten jemanden umbringen, gibt es einen lauten Aufschrei – ein paar Wochen späte r ist das wieder „Schnee von gestern“ (außer für die Opfer und deren Angehörige). Für viele Menschen, die sich tagtäglich mit Alltagsrassismus auseinander setzen (müssen), sind der institutionalisierte sowie der systemimmanente Rassismus das Schlimmste. Um diese Formen des Rassismus zu verstehen, müssen wir uns kurz mit dem Thema „White Privileg“ (Weißes Privileg) beschäftigen. Während meiner Recherche über das Thema fand ich einen Beitrag von Francis E. Kenndall mit de m Titel „Understanding White Privilege“, der den Begriff sehr gut beschreibt. Ich habe mich daher entschieden, einige Auszüge daraus zu verwenden.

Was bedeutet Weißes Privileg?
Das weiße Privileg ist eine institutionelle (und keine persönliche) Reihe von Vorteilen für diejenigen von uns, die von ihrer Herkunft oder dem Äußeren her den Menschen ähneln, die unsere Institutionen dominieren. Eines ihrer Hauptprivilegien besteht darin, einen besseren Zugang zu Macht und Ressourcen zu haben als nichtweiße Menschen. Mit anderen Worte n, allein aufgrund der weißen Hautfarbe stehen ihnen Türen offen, die nichtweißen Menschen verschlossen bleiben. Alle von uns, die als „Weiße“ definiert werden, haben entsprechende weiße Privilegien. Deren Ausmaß hängt jedoch auch vom Geschlecht, der sexuellen Orientierung, dem sozioökonomischen Status, dem Alter, den körperlichen Fähigkeiten, der Größe und dem Gewicht ab – das sind die Hauptfaktoren. Natürlich erkennen nicht alle Weißen dieses Dilemma, da ihre persönlichen Lebensumstände für sie normal waren und sind. Andererseits war die Schaffung eines Systems, in dem die Rassenzugehörigkeit ein e zentrale Rolle spielt – eines, das die Überlegenheit der weißen Rasse gegenüber allen anderen kodifiziert – keineswegs zufällig. Das weiße Privileg erlaubt es uns, uns selbst nicht al s „Rasse“ zu sehen und wütend auf die anderen zu sein, die es nutzen. Ein weiteres Element dieses Privilegs ist die Sichtweise, weiße Menschen als normal und alle anderen als nicht normal zu betrachten. Wir benutzen uns und unsere Erfahrungen als Referenz für alle. „Ich werde nicht von einem Wachmann im Laden verfolgt. Was lässt dich denken, dass du es bist? “ (Kenndall)

Wenn die Historie weiß ist
Das Privileg, Geschichte nur aus der Sicht des Kolonisators zu schreiben und zu lehren, hat so tiefgreifende Auswirkungen, dass diese schwer zu ergründen sind. Als Weiße stellen wir die Geschichten, die uns als Wahrheiten beigebracht wurden, oft nicht in Frage und diskreditieren diejenigen, die dies tun. Einige Alltagsbeispiele von Kenndall sind: Wir werden zum College zugelassen, für Jobs eingestellt, erhalten Kredite und wir gehen als Weiße die Straße entlang (ohne Angst, von der Polizei kontrolliert oder erschossen zu werden), immer im Kontext der weißen Dominanz. Wir handeln und glauben oft, dass wir alles verdient haben, was wir bekommen. (Kenndall)

Wie kann die Gesellschaft Rassismus konsequent bekämpfen?
Was können wir tun, wenn wir daran arbeiten wollen, eine bessere Welt zu schaffen, in der wir alle leben können? Der erste Schritt besteht natürlich darin, uns die Grundlagen des weißen Privilegs klar zu machen, was es ist und wie es funktioniert. Der zweite Schritt sind Gegenmaßnahmen. Wie wir aus den Beispielen sehen, werden die in der Geschichte festgelegten Muster bis heute fortgesetzt. Nicht nur in der fortwährenden allgegenwärtigen und systematischen Diskriminierung von nichtweißen Personen in den Bereichen Wohnen, Gesundheitswesen, Bildung und Justiz, sondern auch in der weniger offensichtlichen Art und Weise, in der Nichtweiße vom Alltag vieler Weißer ausgeschlossen werden. Was wir tun können und müssen, ist, täglich daran zu arbeiten, unser Privileg zu bekämpfen, indem wir das System anderer und unser eigenes, das System, in dem wir leben, ins Bewusstsein bringen. Für diejenigen von uns, die sich stark für soziale Gerechtigkeit einsetzen, ist die gezielte Anerkenntnis der systemischen Vorherrschaft des Weißen eine der schwierigsten und schmerzhaftesten Realitäten. (Kenndall)

Weißes Privileg und Kolonialismus
Während der Kolonialzeit wurde das Phänomen des Weißen Privilegs in dem politischen, wirtschaftlichen und sozialen System der Länder Afrikas implementiert. Das gesamte koloniale System diente nur den Interessen und dem Wohlergehen der Weißen. Afrikaner sowie andere nichtweiße Menschen waren nur dazu da, dieses System aufrechtzuerhalten. Das Ziel war, den erwirtschafteten Wohlstand nicht den Einheimischen zugutekommen zu lassen, sondern nur ihren „Herren“. Beispiel: Südafrika, wo für die Weißen ein wahres Paradies aufgebaut wurde, umgeben vom armen Schwarzen. Australien mit den dortigen weißen Siedlern und den Ureinwohnern, den Aborigines, wiederholte diese bewährte Handlungsweise. Die jahrzehntelange Propaganda durch die Medien, die Filmindustrie, Veröffentlichungen jeglicher Art und Gelehrtes mit dem Zweck der Festigung der Minderwertigkeitskomplexe der „nicht-Weißen“ hat ihr Ziel erreicht. Die Folgen dieses Systems und die dadurch entstandenen Denkweisen herrschen also immer noch in vielen Ländern Afrikas. Wie sonst erklärt es sich, dass weißen Menschen heute noch mehr Türen offen stehen als den Afrikanern in deren eigenen Ländern? Wenn wir für soziale Gerechtigkeit in der Welt kämpfen, müssen wir die Zusammenhänge von Rassismus und dem „Weißen Privileg“ verstehen.

Liebe Leser, das Zusammenleben mit Diversität erfordert von jedem von uns, über die Grenzen seiner eigenen Komfortzone hinauszutreten und das Leben des Anderen zu verstehen, bevor man sich Urteile erlaubt. Kein Menschen entscheidet, ob er „weiß“ oder “nicht-Weiß“ geboren wird. Dieses Thema liegt uns am Herzen, deswegen finden Sie in diesem Heft viele entsprechende Beiträge und einige Lösungsvorschläge, wie wir als Gesellschaft gemeinsam gegen das Übel Rassismus vorgehen können.

Veye Tatah