Wenn schon ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland sich noch von den USA herumkommandieren lassen muss, wie sollen sich dann erst Länder des Südens dagegen wehren?
Liebe Leser,
ein frohes neues Jahr wünschen wir Ihnen. Wir blicken voller Zuversicht auf das Jahr 2020 mit den Entwicklungen auf dem bunten Kontinent Afrika. Trotzdem beginne ich dieses Jahr mit etwas gemischten Gefühlen. Seit im Dezember 2019 die US-Sanktionen gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 angekündigt wurden, gehen mir so viele Fragen im Kopf herum. Warum lässt sich Deutschland das gefallen? Dieses Projekt ist doch im nationalen Interesse Deutschlands? Warum wehrt sich Deutschland nicht gegen dieses US-Vorgehen? Oder sind die Wirtschaftsinteressen der USA wichtiger als die von Deutschland? Das sind Fragen über Fragen; ich bin immer noch auf der Suche nach Antworten.
Aber eines ist klar, diese Vorgehensweise zeigt einfach, wie die USA ihre Machtposition nutzen, um ihre Wirtschaftsinteressen nach vorne zu bringen, auf Kosten anderer Länder. Auf Teufel komm raus. Wenn wir dieses Ereignis betrachten: ein mächtiges, wirtschaftlich erfolgreiches Land wie Deutschland lässt sich von den Amerikanern so umherschubsen, ohne deutlich auch ein Machtwort zu sprechen – was sagt uns das über den Stellenwert Deutschlands, einen Verbündeten in der Nato?
Was ist passiert?
Die US-Präsident Donald Trump hat die Sanktionen mit der Begründung angeordnet, eine zu große Abhängigkeit Deutschland & Europas von russischem Gas zu verhindern. Spielen die USA hier eine Elternrolle für Deutschland und Europa – ist das immer noch die Rolle des Befreiers vom Naziregime? Ist Deutschland ein souveräner Staat? Wenn ja, warum lässt sich Deutschland das gefallen? Oder anders gefragt, welche Interessen stecken dahinter? Was verliert Deutschland, wenn es Ziel von Sanktionen werden sollte? Verstießen die US-Sanktionen nicht gegen internationales Recht? Welche Rolle würde der WTO (Welthandelsorganisation) bei solch einer Entscheidung zukommen? Russland wirft den USA vor, aus wirtschaftlichem Eigeninteresse gegen russisches Pipeline-Gas in Europa vorzugehen, mit dem Hintergrund, stattdessen viel teureres US-Flüssiggas zu verkaufen. Wer hat dabei welche Macht über uns?
Welche Rolle spielen IWF, Weltbank, WTO im diesem Kontext?
Vielleicht ist es höchste Zeit, diese Institutionen anhand der Entwicklung der Länder zu reformieren? Die Weltbank hat sich zum Beispiel noch nicht an eine zunehmend multipolare Welt angepasst, nicht-westlichen Staaten die gleiche Stimme zu geben und Chinas wachsenden Einfluss auf die Weltwirtschaft anzuerkennen. Sie war von Anfang an eine amerikanisch dominierte Organisation, deren Hauptanliegen es ist, die Interessen der USA und ihrer Verbündeten zu schützen. Wie lange werden die anderen Länder diesen Zustand hinnehmen?
Im Jahr 2020 werden einige Länder Afrikas 60 Jahre Unabhängigkeit feiern. Die entscheidende Frage lautet, wie souverän sind diese Länder tatsächlich?
Ich persönlich bin ein Afrikaoptimist und glaube an die Entfaltungsmöglichkeiten dieses Kontinentes, natürlich nur, wenn die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sind. Aber wenn ich die geopolitischen Spielchen heute betrachte, komme ich langsam doch ins Grübeln. Die ganze Welt hat verfolgt, wie westliche Länder Libyen aus wirtschaftlichen Interessen zerbombt haben. Es gibt viele weitere Länder, die der Westen mit seinen Organisationen wie IMF, WTO und Weltbank in die Knie gezwungen hat. Welche Rolle spielen dabei die westlichen Medien?
In der westlicher Öffentlichkeit glaubt die Mehrheit der Bevölkerung, dass jedes Land auf dieser Erde dieselben Chancen besitzt, sich zu entfalten und seine Wirtschaftsziele so zu gestalten und zu entwickeln, wie es seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Aber anhand der obengenannten Beispiele ist ersichtlich, dass der Mehrheit der Länder des Südens diese Möglichkeiten durch die westlichen Machthabern verwehrt bleiben. Vielleicht wäre es höchste Zeit, dass die Menschen im Westen auf die Straße gehen und für grundlegende Gerechtigkeit in der Welt zu protestieren, nicht nur für das Klima.
Und da gibt auch noch die UNO. Manchmal weiß man nicht, ob die UNO nur als Werkzeug für die fünf Atommächte benutzt wird oder ob diese Institution tatsächlich den heutigen Herausforderungen gerecht werden kann. Was bleibt uns also anderes übrig, als diese sie zu reformieren, so dass sie ihre Aufgaben ohne Behinderung durchführen kann.
Was können die Länder des Südens tun, wenn die mächtigen Nationen Zugang zu ihren natürlichen Ressourcen suchen und dafür Rebellionen und Kriege anzetteln, um an ihre Ziele zu gelangen?
Liebe Leser, wie Sie sehen gibt es viele Baustellen, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Trotzdem gab es Ende letztes Jahr viele gute Nachrichten für den Kontinent. Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed Ali hat den Friedensnobelpreis für seine Bemühungen um Versöhnung mit seinem Nachbarn Eritrea erhalten. Wer hätte das je gedacht, dass die beiden Länder so schnell aufeinander zugehen würden? Aber das zeigt uns wieder einmal eines: Wo eine guter Wille ist, findet man auch einen Weg. Auch noch eine erfreuliche Nachricht (nicht nur) für die Damenwelt: Den Titel „Miss Universe 2019“ gewann eine Südafrikanerin namens Zozibini Tunzi.
Der Dezember 2019 war auch insofern ein Meilenstein für Afrika, als Äthiopien seinen ersten Satelliten ins All startete. Damit war Äthiopien das 11. afrikanische Land, das einen eigenen Satelliten ins All brachte. Die gelieferten Satelliten-Daten sollen ein vollständigeres Bild der land-, forst- und bergbaulichen Ressourcen des Landes vermitteln, um somit die Reaktionsmöglichkeiten auf Überschwemmungen oder andere Katastrophen verbessern zu können. Wir schauen erwartungsvoll auf das Jahr 2020 und bedanken uns bei allen unseren treuen Lesern und Unterstützern, ohne die es uns und unsere Arbeit in dieser Form nicht geben könnte. Danke! Genießen Sie die Lektüre!
Veye Tatah