Wer ist moralisch in der Lage, ein Land wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen?

Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 haben die Medien alle anderen Themen wie Covid 19, die Kriege in Afghanistan, Jemen, Syrien, Äthiopien usw. zurückgedrängt. Auf der Weltbühne versuchen die Diplomaten der USA und ihrer Nato-Verbündeten, andere Länder davon zu überzeugen, sich ihnen bei der Verurteilung der russischen Invasion anzuschließen und die Sanktionen zu unterstützen. Die US-Botschafterin bei der Afrikanischen Union, Jessica Lapenn, und Akunna Cook vom Büro für afrikanische Angelegenheiten des US-Außenministeriums besuchten am 31. März den Senegal und hofften auf eine „starke afrikanische Reaktion“ auf die russische Aggression in der Ukraine. Warum denken die USA und ihre Verbündeten, ihre Feinde müssen auch die Feinde der afrikanischen Länder sein? Können Afrikaner nicht ihre eigenen Entscheidungen fällen? Als die Nato 2011 in Libyen einmarschierte, wurde da der Rat der Afrikanischen Union eingeholt?

Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch, der die Menschlichkeit achtet, gegen jede Form des Krieges sein muss – diejenigen, die von der Herstellung und dem Verkauf von Waffen profitieren einmal ausgenommen. Es geht nicht, einige Kriege als „gute Kriege“ und andere als „schlechte Kriege“ zu bezeichnen. Übrigens: Wer soll entscheiden, welcher Krieg in welche Kategorie gehört? Der Verlust von Menschenleben und die durch Krieg verursachten Fluchtbewegungen sind verheerend – für die beteiligten Länder sowie für die Nachbarländer, die die Flüchtlinge aufnehmen. Von den Zerstörungen der Infrastruktur ganz zu schweigen.

Medienberichterstattung
Die Medienberichterstattung über den Krieg in der Ukraine ist mit anderen Kriegen, die wir miterlebt haben, nicht vergleichbar. Man kann annehmen, dass es daran liegt, dass der Krieg in Europa stattfindet. Dennoch fällt auf, dass die Berichterstattung einseitig ist und die politische Agenda der Nato und ihrer Verbündeten propagiert. Leider gibt nur noch sehr wenige Medien, die eine objektivere Sicht auf die Krise in der Ukraine vermitteln. Um jedes Missverständnis zu vermeiden: Russland ist der Agressor, der verurteilt werden muss. Aber: Die starke Sprache, die in den meisten Berichten verwendet wird, kann den Krieg nur verschärfen. Am auffälligsten ist die Darstellung von Zivilisten als Helden, die Sabotageakte mit Molotowcocktails verüben. Zivilisten, die in anderen Kriegen gegen Nato-Verbündete das Gleiche tun, werden als Terroristen bezeichnet. Wenn in Nato-Kriegen Zivilisten getötet werden, werden sie als Kollateralschaden bezeichnet, aber im aktuellen Krieg ist der Aufschrei der Medien einfach unvorstellbar. Zeigt uns diese Medienberichterstattung, dass einige Menschen mehr wert sind als andere?

Migrationsproblem Afrika – EU
Das bringt uns zur Frage der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Es ist sehr herzerwärmend zu sehen, wie die EU-Länder die Flüchtlinge aufgenommen und neue Gesetze und Vorschriften erlassen haben, um ihnen die Integration in ihre neuen Gastländer zu erleichtern. Das ist das Richtige in Zeiten solcher Krisensituationen. So sehr wir die Reaktion auf die Flüchtlinge aus der Ukraine bewundern, so sehr fragen wir uns, warum die Flüchtlinge, die 2015 nach Europa kamen, nicht auch auf diese Weise willkommen geheißen wurden. Frauen, Männer und Kinder mussten lange Strecken zurücklegen, um ihr Ziel zu erreichen. Länder wie Polen und Ungarn bauten Zäune und stationierten Soldaten an ihren Grenzen, um die Flüchtlinge zurückzuhalten. Lag es daran, dass die Flüchtlinge damals nicht weiß waren? Macht der christliche Gott diese Unterschiede oder sind diese Regierungen und viele Christen dieser Länder einfach nur zynische Rassisten? Während die EU den Ukrainern den roten Teppich ausrollt, sterben gleichzeitig Tausende von Menschen im Mittelmeer, weil Frontex die Flüchtlinge und Migranten ins Meer zurücktreibt. Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die hier begangen werden, und nur wenige Medien berichten darüber. Warum eigentlich?

Um die Problematik zu verstehen, empfehle ich Ihnen das Buch „My Fourth Time, We Drowned: Seeking Refuge on the World’s Deadliest Migration Route“ der Reporterin Sally Hayden. Sie schildert, wie der „Nothilfe-Treuhandfonds der Europäischen Union für Stabilität“ dazu verwendet wird, die libyschen Milizen zu stärken, die Internierungslager für Migranten betreiben und teilweise Sklaverei praktizieren. Sally Hayden verurteilt auch einige Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen, deren Verzicht auf internationale Standards eine moralische Rechenschaftspflicht erfordert.

Erinnern wir uns, dass 2015-2016, als 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Europa kamen, alle schrien, das Boot sei voll. Jetzt sind mehr als 4 Millionen Ukrainer auf dem Weg, – in ein volles Boot…? Europa hatte also nie eine echte Flüchtlingskrise, sondern hatte und hat ein Rassismus-Problem.
Internationale Studierende, die in der Ukraine studierten und ebenfalls versuchten, das Land zu verlassen, wurden an den polnischen Grenzen diskriminiert. Einige wurden in Polen grundlos inhaftiert und festgehalten. Hoffen wir, dass die EU-Willkommenspakete auch für diese nichtweißen Studierenden gelten, damit sie ihr Studium fortsetzen können.

Liebe Leser, der Krieg in der Ukraine ist unsagbar schlimm, aber er hat auch die Doppelmoral und Heuchelei der EU, der USA und der Nato offengelegt. Als die USA und ihre Verbündeten in den Irak, Afghanistan, Libyen usw. einmarschierten, behaupteten sie, die Kriege seien richtig. Jetzt schreien sie, wenn Russland genau das Gleiche tut, was sie selbst in anderen Ländern getan haben. Haben die USA Sanktionen für die Invasion dieser Länder erhalten, obwohl viele Menschen ihr Leben verloren haben? Haben die Medien damals so laut geschrien wie jetzt?
Wer gibt dem Westen die moralische Autorität, andere Länder zu sanktionieren? Nun, hoffen wir, dass die Welt multipolar wird, um diese einseitige Beherrschung und Ausbeutung schwacher Länder durch Großmächte zu beenden. Ich hoffe, dass auch die afrikanischen Länder diese Krise nutzen werden, um ihre Ernährungssicherheit zu verbessern. Genießen Sie die Lektüre!
Veye Tatah