Entkolonialisierung der Essgewohnheiten in afrikanischen Ländern

Warum sind viele Länder in Subsahara-Afrika von importierten Lebensmitteln abhängig?

Liebe Leserinnen und Leser,
der Krieg in der Ukraine führt viele afrikanische Länder in eine Hungerkrise, suggerieren die westlichen Medien. Aber wie kam es dazu, dass afrikanische Länder von Lebensmitteln abhängig wurden, die sie nicht selbst produzieren können? Die meisten Menschen denken, Kolonialismus beschränkte sich nur auf politische, militärische und wirtschaftliche Interventionen. Niemand denkt dabei an Ernährung, wodurch sich Essgewohnheiten veränderten. Dabei war die Ernährung schon immer ein wesentliches Instrument im Kolonialisierungsprozess.
Kobuthi (s. (1)) beschrieb dies so: Die Politik der verbrannten Erde, d. h. das Verbrennen von Feldfrüchten und das Töten von Vieh, erwies sich in Kenia und in den von den Briten kolonisierten ostafrikanischen Ländern als äußerst wirksame Methode zur Unterdrückung von Rebellionen und zur Kolonisierung der Bevölkerung.
Der Kolonialstaat setzte weiße Siedler ein, um die kommerzielle landwirtschaftliche Produktion als Hauptstütze der kolonialen Wirtschaft einzuführen. Der Anbau von fremden Nutzpflanzen wurde schnell zur Haupteinnahmequelle der Siedler, die von dem billigen Land und den vielen afrikanischen Arbeitskräften profitierten. Auf diese Weise wurden europäische Nahrungspflanzen in den Kolonien eingeführt. Die Afrikaner führten z. B. Mais in ihre Subsistenzlandwirtschaft ein und zementierten damit seine Position als wichtigstes Grundnahrungsmittel in den Kolonien.
Pflanzenkulturen mit Hirse, Knollen (Yamswurzel, Maniok u. ä.), Hülsenfrüchten und Grünkohl wie in der traditionellen Landwirtschaft üblich wurden ersetzt. Anlässlich massiver Umsiedlungen von Menschen verloren die Afrikaner nicht nur ihre gewohnten Nahrungsmittel und Zeremonien, sondern auch ihr traditionelles Wissen über Lebensmittel und deren Zubereitung. Dadurch wurden die Anbausysteme für immer verändert, traditionelle Praktiken gingen verloren, und kulturelle Normen wurden zerstört. Laut den Autoren (2) beschloss die US-Regierung nach dem WWII, die Überproduktion von US-Getreide als Nahrungsmittelhilfe zu nutzen und sich dadurch Zugang zu Ressourcen zu sichern.

Postkoloniale Staaten

Ein Zitat vom Thomas Sankara: „Schaut auf eure Teller, wenn ihr esst. Diese importierten Reiskörner, Mais und Hirse – das ist Imperialismus.“
Die Autoren des Forschungspapiers (2) nennen drei Punkte, warum es in Subsahara-Afrika bis heute eine anhaltende Ernährungsunsicherheit gibt. Erstens hat der Kolonialismus die bestehenden Systeme der Ernährungssicherheit grundlegend gestört und unterdrückt. Zweitens setzten die Regierungen nach der Unabhängigkeit die Ausweitung der Exporte ohne Wertschöpfung in den globalen Norden fort. Investitionen in afrikanische Institutionen zur Förderung von Wachstum und gerechter Beschäftigung in den heimischen Volkswirtschaften wurden vernachlässigt. Die internationalen Institutionen waren dominant und dienten den politischen und wirtschaftlichen Interessen des globalen Nordens (2).
Laut Kobuthi hat die Unabhängigkeit Kenias 1963 eine neue Klasse afrikanischer Eliten an die Macht gebracht. Diese reformierte den kolonialen Staat nicht, sondern vervollkommnete ihn vielmehr im Sinne der Kolonialmächte. So erwarb beispielsweise Jomo Kenyatta, der erste Präsident Kenias, auf Kosten der armen Bevölkerung zusammen mit seinen Kumpanen nach Belieben riesige Landstriche und Ressourcen. Der Effekt dieses massiven Landraubs durch die Elite konsolidierte das neokoloniale System.
Kobuthi stellte dazu fest: „Heutzutage gibt es in Kenia ein wachsendes Interesse am Kampf um die Kontrolle über Land, Lebensmittel und sogar Saatgut. Unter dem Deckmantel, die Ernährungssicherheit zu verbessern, nimmt eine neue Welle des Lebensmittelimperialismus Gestalt an. Eine Reihe von öffentlich-privaten Partnerschaften formten eine aggressive Lebensmittelpolitik, die darauf ausgerichtet ist, Unternehmen den Zugang zu den wichtigsten Ressourcen und Märkten innerhalb des Lebensmittelsystems zu erleichtern. Die Landwirte werden gezwungen, von einer kostengünstigen, nachhaltigen traditionellen Landwirtschaft auf eine industrielle Landwirtschaft mit intensivem Einsatz von chemischen Düngemitteln, Pestiziden und konzerneigenem Saatgut umzustellen. Dieser Praktiken stehen im Gegensatz zu dem, was viele als Ernährungssouveränität bezeichnen.“

Entkolonialisierung der Ernährungssysteme

Beim Essen ging es nie nur um den einfachen Akt der Nahrungsaufnahme; Essen ist lebendige Geschichte und Identität. Da die Wahl der Lebensmittel durch kulturelle, politische und wirtschaftliche Werte beeinflusst wird, ist sie ein wichtiger Bestandteil der Dekonstruktion und Dekolonisierung unserer sozialen afrikanischen Identität (1).
Liebe Leser, es ist wichtig, sich ein umfassenderes Bild vom Ursprung der afrikanischen Ernährungsunsicherheit und der Abhängigkeit von importierten Lebensmitteln zu machen. Heute zementieren die Entwicklungshilfepraktiken dieses unproduktive System in den ehemaligen Kolonien. Der Kontinent braucht Führungspersönlichkeiten, die diese Herausforderungen angehen, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten zu verringern. Land und Arbeitskräfte sind in Hülle und Fülle vorhanden, was fehlt, sind Staatslenker mit Weitblick. Damals wie heute war das Ziel von Entwicklungshilfe, Länder in Abhängigkeitsverhältnisse zu bringen und ihre eigene Wirtschaftsentwicklung zu verhindern.
Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!
Veye Tatah

Quellen
1. Food is power, Joe Kobuthi; www. africaisacountry.com/2020/04/food-is-power
2. Why food insecurity persists in sub-Saharan Africa: A review of existing evidence. Bjornlund, V., Bjornlund, H. & van Rooyen, A.