China, Russland und der Westen (USA und EU) – diese Großmächte wollen ihre jeweiligen Interessen in Afrika sichern. Werden die afrikanischen Länder dieses Mal klüger sein und ihre eigenen nationalen Belange ungeachtet des Drucks von außen durchsetzen?
Liebe Leserinnen und Leser,
ein Jahr nach Beginn des Krieges haben viele afrikanische Länder dazu geschwiegen, Russland für den Einmarsch in der Ukraine zu verurteilen. Jedes einzelne Land hat seine Gründe, warum es neutral bleiben oder Russland unterstützen will. Die meisten Länder treffen ihre Entscheidungen oder Maßnahmen mit der Begründung, dass sie in ihrem nationalen Interesse liegen. Es heißt ja schließlich auch: „Länder haben keine Freunde, nur Interessen…“ (Charles de Gaulle). Die Frage ist also, warum die Entscheidung der afrikanischen Länder in Frage gestellt wird, die ihren ureigenen Interessen folgen. Viele Länder beginnen mit der Begründung, es liege in ihrem Interesse, ohne jeden Vorwand sogar Kriege.
In diesem Jahr bereisten russische, französische und amerikanische Staatsoberhäupter Afrika, um Unterstützung für ihre Positionen zum Krieg in der Ukraine zu gewinnen. Sie lieferten sich dabei den intensivsten Wettbewerb um Einfluss auf dem Kontinent seit dem Kalten Krieg (Quelle: NPR Media).
Jeder dieser Akteure reist mit einer Botschaft auf den Kontinent, um die Unterstützung der Afrikaner zu gewinnen. Die Russen und Chinesen verbreiten die Botschaft, dass sie die afrikanischen Länder nicht kolonisiert haben und deshalb die Guten und Freunde des afrikanischen Volkes sind. Der Westen hingegen warnt die Afrikaner, dass Russland die Ursache für den Anstieg der Lebensmittelpreise und die Not vieler Länder in Verbindung mit der hohen Inflation ist.
Der Westen verspricht mehr Hilfe und Investitionen für die Länder, während Russland Unterstützung bei der Bekämpfung von Unsicherheit und Terrorismus verspricht. Andererseits: Diese Hilfen und Investitionen in Bezug auf Afrika gibt es ja nicht erst seit gestern – also ist die Frage gestattet, wieso sich in den unterstützten Gebieten noch immer nichts Grundlegendes getan hat und vieles immer noch von vorvorgestern ist … Wer Hilfe von woanders bekommt, bleibt abhängig von diesem „woanders“ – nicht, dass das niemandem klar wäre … Andererseits: Afrika müsste dann ja eigentlich entwicklungsmäßig überall schon längst „Europa 2.0“ sein, oder nicht?
Einige afrikanische Länder sagen, dass Russland während des Unabhängigkeitskampfes gegen die Kolonialherren für sie da war. Südafrikanische Politiker protestieren dagegen, dass der Westen ihnen nicht vorschreiben kann, wer ihr Freund oder Feind sein soll. Russland unterstützte sie im Kampf gegen die Apartheid, ein vom Westen eingeführtes System.
Der französische Präsident Emmanuel Macron wurde bei seinem Besuch in der Demokratischen Republik Kongo von Präsident Tshisekedi belehrt, der ihm sagte, der Westen solle aufhören, die Afrikaner zu belehren und ihnen mit Respekt umgehen. Macron war dort, um die Afrikaner zu ermahnen, die Zusammenarbeit mit Russland abzulehnen.
Die Isolierung Russlands – wie erfolgreich war sie?
Der New York Times zufolge wird es nach einem Jahr immer klarer: Während die Kernkoalition des Westens bemerkenswert solide bleibt, konnte sie den Rest der Welt nie davon überzeugen, Russland zu isolieren („Der Westen hat versucht, Russland zu isolieren. Es hat nicht funktioniert. 23.2.2023“ ). Viele Länder Afrikas, Lateinamerikas, Asiens und des Nahen Ostens sehen die Krise als eine Angelegenheit zwischen Russland und dem Westen an, und viele wollen nicht in die Schusslinie geraten, sondern ihre eigenen Angelegenheiten regeln. Länder wie Indien haben den Handel mit Russland nach der Invasion ungeachtet der westlichen Druck verstärkt. Amerikas „Freund“ Saudi-Arabien hat mit Russland und China angebandelt und ist bereit, sein Öl gegen chinesische Yuan zu verkaufen. China hat ein Friedensabkommen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien herbeigeführt, das den Krieg im Jemen beenden soll.
Ist es für den Westen nicht an der Zeit, die aktuelle Situation zu analysieren und nach neuen Strategien zu suchen, um aus diesem Dilemma herauszukommen, in dem die Sanktionen nicht wirklich wie geplant funktionieren?
Haben auch Entwicklungsländer ein nationales Interesse, das es zu schützen gilt, oder ist dies nur den reichen und mächtigen Ländern vorbehalten?
In vielen afrikanischen Ländern wird die Jugend wegen der trotz des Reichtums an natürlichen Ressourcen gravierenden Perspektivlosigkeit ungeduldig. Die panafrikanische Bewegung ist in vielen Ländern auf dem Vormarsch, besonders im frankophonen Afrika. Viele Jugendliche wollen, dass die Franzosen ihre Länder verlassen und dass sie ihre Probleme selbst lösen können. Aber sie sollten vorsichtig sein, wenn sie den Kolonialherrn Frankreich gegen einen anderen Kolonialherrn wie etwa Russland austauschen. Die Afrikaner müssen ein Gleichgewicht finden, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, ohne ihre Souveränität an ein anderes Land abzutreten.
Was sollte das Hauptinteresse der afrikanischen Länder sein?
Die Afrikanische Union sollte gestärkt werden, um die Krise, die einige der Länder plagt, nachhaltig zu lösen. Die afrikanische Einheit ist sehr wichtig für eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung (siehe die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone) und die Erreichung von sozio-politischer Stabilität.
Die AU sollte China, Russland und den Westen dazu bewegen, guten Willen zu zeigen und zusammenzuarbeiten, um beispielsweise den Krieg im Norden der DR Kongo zu beenden, damit der Kongo die Ressourcen für die Wirtschaftsentwicklung des Landes nutzen kann. Das Gleiche gilt für den Kampf gegen den Terrorismus in Mosambik und in der Sahelzone. Wenn man sich anschaut, wie viel Geld und Militärausrüstung in die Ukraine geschickt wurde, könnte ein kleiner Teil dieser Unterstützung zur Lösung der afrikanischen Krisen verwendet werden. Wenn der Wille vorhanden wäre! In den letzten sieben Jahren hat es auch im Kamerun Kämpfe gegeben. Wie oft hat die UN über dieses Problem diskutiert und welche Lösungen wurden umgesetzt?
Die AU hat den Westen gebeten, die Sanktionen gegen Simbabwe aufzuheben, aber das ist dem Westen egal. Solange gegen afrikanische Länder Sanktionen verhängt werden, weil westliche Länder ihre wirtschaftlichen Interessen nicht durchsetzen konnten, werden die Afrikaner den Ratschlägen des Westens nur widerwillig folgen.
Die afrikanischen Länder sind mit ihren eigenen Krisen konfrontiert, die vom Westen meist ignoriert werden (falls sie nicht sogar von ihm ausgelöst wurden). Wie kann der Westen erwarten, dass diese Länder seinem Aufruf folgen, Russland zu verurteilen? Vielleicht wäre es am besten, wenn der Westen sein Narrativ ändern und Taten sprechen lassen würde, die lauter sind als Worte.
Die junge afrikanische Generation wird es nicht länger hinnehmen, dass man sie schikaniert und die Ressourcen ihres Landes ausbeutet. Aber sie werden offen sein für die Zusammenarbeit mit Ländern, die zu einer Win-Win-Partnerschaft bereit sind. Dies ist eine Chance für die EU, ihre Haltung gegenüber den afrikanischen Ländern zu ändern. Es ist nie zu spät, eine ehrliche Beziehung zu beginnen.
Liebe Leserinnen und Leser, in der Welt von heute ist viel los und jedes Land versucht zu überleben. Hoffen wir, dass die afrikanischen Länder diese Situation nutzen können, um neue Regelungen und Strukturen durchzusetzen, die die Entwicklung beschleunigen und den Lebensstandard ihrer Bürger verbessern können.
Viel Spaß bei den Artikeln!
Veye Tatah